Zwei Grand-Slam-Titel und ein Finaleinzug bei den Junior French Open – ein historisches Ergebnis. Mit etwas Abstand: Wie bewertet ihr diesen Erfolg?

Jasmin Wöhr: Diese Erfolge sind das Ergebnis harter, konsequenter Arbeit über viele Jahre hinweg. Wir wussten, dass wir im Nachwuchs sowohl bei den Mädchen als auch bei den Jungs Talente haben, die ganz vorne mitspielen können – und zwar nicht nur einzelne, sondern eine starke Gruppe. Diese pushen sich gegenseitig und erzeugen genau den positiven Konkurrenzdruck, den wir uns immer gewünscht haben.

Philipp Petzschner: Besonders schön ist, dass der Erfolg auf beiden Seiten kam – bei den Mädchen und den Jungs. Das wirkt ansteckend. Bei den Jungs haben wir vorher schon starke Ergebnisse gesehen: Niels hat zwei Turniere gewonnen, Max war bei den Futures überzeugend. Dass sie in Paris so durchmarschieren, war dennoch nicht vorhersehbar – und einfach ein großartiger Moment für das deutsche Tennis.

Was war euer persönlicher Gänsehautmoment in Paris?

Philipp Petzschner: Ganz klar der Moment, als wir nach den Finals mit zwei Grand-Slam-Trophäen in den Katakomben standen und die Mädels aus der Umkleide kamen – wir haben uns alle umarmt, gelacht, gefeiert. Da wurde mir bewusst: Wir haben hier gerade etwas Außergewöhnliches geschafft. So etwas habe ich selbst in meiner Karriere nie erlebt.

Jasmin Wöhr: Für mich war es genau dieser Moment – das ganze Team versammelt, die Anspannung fiel ab, es war pure Freude und Zusammenhalt spürbar. Und natürlich auch das Doppel-Finale von Eva und Sonja: Nach 4:6, 0:4 noch zurückzukommen und den Titel zu holen – das war ein Wahnsinns-Match und steht sinnbildlich für diese besondere Woche, die wir alle nie vergessen werden.

Gab es tatsächlich diesen Teamgedanken – über Geschlechtergrenzen hinweg?

Philipp Petzschner: Absolut. Das ist in den vergangenen Jahren gewachsen. Der Zusammenhalt ist enorm – die Mädels schauen die Matches der Jungs und umgekehrt. Natürlich bleibt Tennis ein Einzelsport. Aber aktuell gelingt es uns, eine funktionierende Teamstruktur zu etablieren. Und genau diese zwei Prozent extra können am Ende den Unterschied machen.

Der deutsche Nachwuchs feiert aktuell einen Erfolg nach dem anderen. Wie bewertet ihr die Gesamtsituation?

Philipp Petzschner: Wir sind auf einem sehr guten Weg. Mit Justin Engel und Diego Dedura haben wir zwei der besten Spieler ihrer Jahrgänge auf der ATP-Rangliste weltweit. Dazu Niels McDonald als Grand-Slam-Sieger, Max Schönhaus als Finalist und Jamie Mackenzie, der unter den Top 20 der Junioren steht. Das ist auch international sichtbar. Wie weit sie es schaffen, wird sich zeigen – aber die Basis stimmt.

Jasmin Wöhr: Im weiblichen Bereich hatten wir in Paris mit Julia Stusek, Sonja Zhenikhova, Mariella Thamm und Eva Bennemann 4 Spielerinnen im Hauptfeld. Vicky Pohle stand im Finale der Qualifikation, zudem ist mit Ida Wobker (Jahrgang 2010) die nächste sehr junge und talentierte Spielerin nur noch einen kleinen Schritt vom Hauptfeld der Jugend Slams entfernt. Jede einzelne dieser Spielerinnen hat in diesem Jahr schon hervorragende Ergebnisse erzielt und ist auf einem sehr guten Weg, auch im Hinblick auf den Übergang zu den Damen. Die Gruppe ist stark und die Gesamtsituation darüber hinaus vielversprechend.

 

Früh auf die Profitour wechseln oder sich auf der Junior Tour entwickeln – welcher Weg ist der richtige?

Jasmin Wöhr: Es gibt keinen Pauschalweg. Ich halte den Weg über die Junior Tour für sehr wertvoll – insbesondere durch Programme wie den „Junior Accelerator“ können sich die Jugendlichen auch Benefits für den Profibereich wie Startplätze im Hauptfeld erspielen. Man sammelt dort wichtige Erfahrungen und kann sich für den Übergang in den Profibereich vorbereiten.

Philipp Petzschner: Das muss man individuell betrachten. Justin Engel geht aktuell früh auf die Profitour – und für ihn funktioniert das unglaublich gut. Für andere, wie Max oder Niels, ist die Junior Tour der richtige Weg, um Matchhärte und Selbstvertrauen aufzubauen. Entscheidend ist, dass die Spieler an ihren Zielen festhalten – egal, ob der Weg über Paris oder Stuttgart führt.

Wie stark ist der Zusammenhang zwischen Junior-Erfolg und späterem Profierfolg?

Philipp Petzschner: Die Statistik ist eindeutig: Rund 70 Prozent der Junior-Grand-Slam-Sieger der vergangenen Jahre standen später in den Top 50, über die Hälfte sogar in den Top 20. Es ist keine Garantie, aber ein sehr guter Indikator.

Der DTB hat 2023 mit dem Leistungssportkonzept „Gemeinsam! Weltklasse! Entwickeln“ neue Wege eingeschlagen. Welche Veränderungen greifen bereits?

Philipp Petzschner: Die Turnierlandschaft im Übergang vom Junioren- zum Profibereich in Deutschland hat sich stark verbessert. Unsere Talente müssen nicht mehr quer durch Europa reisen, um sich mit Topspielern zu messen. Das spart Ressourcen und fördert die Entwicklung. Zudem setzen wir stärker auf individuelle Förderung und stärken funktionierende Umfelder wie beispielsweise bestehende Trainer-Spieler-Beziehungen. Die Heimtrainer spielen für uns dabei eine zentrale Rolle. Unser Ansatz ist: Was braucht der einzelne Spieler, die einzelne Spielerin – und wie können wir gezielt unterstützen?

Was braucht es, um die Hürde zum Profibereich zu nehmen?

Philipp Petzschner: Geduld, Ausdauer und harte Arbeit. Niemand wird automatisch Topspieler, nur weil er im Juniorenbereich erfolgreich war. Rückschläge gehören dazu. Es ist ein Marathon. Tatjana Maria ist ein gutes Beispiel: Mit 37 Jahren gewinnt sie ihr erstes WTA-500-Turnier. Ich hoffe natürlich, dass es bei unseren Jugendlichen schneller geht – aber solche Karrieren zeigen, dass sich Beharrlichkeit auszahlt. Ich sage den Jungs oft: Die Zeit ist euer Freund, nicht euer Feind.

Ihr wart beide selbst Profis. Wie hilft euch das in eurer Arbeit mit den Jugendlichen – und was gebt ihr ihnen mit?

Jasmin Wöhr: Langfristig denken, täglich kleine Fortschritte machen. Rückschläge akzeptieren. Wichtig ist, dass das Feuer brennt – dauerhaft. Weil wir ähnliche Erfahrungen gemacht haben, können wir auf Augenhöhe mit den Jugendlichen sprechen. Das schafft Vertrauen und ist enorm hilfreich.

Philipp Petzschner: Ich versuche, den größeren Kontext zu vermitteln. Ein Finaleinzug ist super – aber eben nur ein Schritt auf dem Weg. Wenn dann am Nebenplatz plötzlich Marat Safin trainiert und ich sagen kann: „Mit dem habe ich gespielt“, hören sie manchmal doch etwas genauer zu (lacht).

Zum Schluss: Wenn ihr ein Mixed-Doppel für die Zukunft zusammenstellen müsstet – wen würdet ihr wählen?

Philipp Petzschner: Ich nehme Max Schönhaus – ein echter Teamplayer, Doppel-Wimbledonsieger bei den Junioren und charakterlich top.

Jasmin Wöhr: Max hat die Qual der Wahl: Julia Stusek, die konstant stark im Doppel spielt, oder unsere frisch gebackenen Grand-Slam-Siegerinnen Eva Bennemann und Sonja Zhenikhova – alle drei wären großartige Partnerinnen.

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