Kohlschreiber: „Wenn man Dinge nicht ausprobiert, weiß man nie, wie gut man darin ist“

Über 20 Jahre war Philipp Kohlschreiber erfolgreich auf der ATP-Tour unterwegs, bevor er 2022 seine Karriere beendete. Dem Tennissport bleibt er jedoch weiterhin verbunden. Als TV-Experte bei Sky und RTL hat er sich bereits einen Namen gemacht. Seit einigen Wochen arbeitet er nun als Trainer von Justin Engel, einer der größten Nachwuchshoffnungen des DTB. Im Interview spricht der 41-Jährige über die Chancen und Herausforderungen seiner neuen Rolle.
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Justin Engel trainiert mit Trainer, coach Philipp Kohlschreiber in der BTV TennisBase., Oberhaching, Muenchen. *** Justin Engel trains with trainer, coach Philipp Kohlschreiber at the BTV TennisBase , Oberhaching, Munich Copyright: xJuergenxHasenkopfx

Philipp, was hat dich dazu bewegt, nach deiner erfolgreichen Karriere als Tennisprofi in die Trainerrolle zu wechseln?

Meine Liebe zum Tennissport. Hier habe ich die meisten Erfahrungen in meinem Leben gesammelt und mit Justin hat es einfach gut gepasst. Es ist ein tolles Projekt, das unglaublich viel Spaß macht. Und man weiß nie, wie gut man in etwas ist, wenn man es nicht ausprobiert.

Kanntest du Justin Engel schon vor eurer Zusammenarbeit?

Ich habe Justin vor zwei, drei Jahren kennengelernt, als ich selbst noch aktiver Profi war. Wir haben zusammen trainiert, und schon damals hat er mir sehr gefallen – sowohl seine Einstellung als auch seine Art zu spielen.

Als ehemaliger, erfolgreicher Tennisprofi bist du natürlich prädestiniert dafür, deine wertvollen Erfahrungen an junge Spieler weiterzugeben. Du hättest aber natürlich auch einfach die Füße hochlegen können. Aber das scheint nicht dein Weg zu sein.

Meine Füße können einfach nicht still bleiben. Ich bin jemand, der gerne aktiv ist. So bleibe ich meinem geliebten Tennissport verbunden und habe die Möglichkeit, meine Erfahrungen weiterzugeben, natürlich individuell abgestimmt auf Justin. Er ist ein ganz anderer Spielertyp als ich und gerade mal 17 Jahre alt. Mit einem jungen Spieler zusammenzuarbeiten, bringt natürlich andere Herausforderungen mit sich. Es gibt Bereiche, wo er sich noch steigern kann, und hier sehe ich mich in der Rolle des Lehrers, des Aufpassers und manchmal auch des Mahners. Ich möchte meine Erfahrungen nach und nach weitergeben, ohne ihn zu überfordern. Für mich liegt die wahre Kunst und die größte Herausforderung genau in diesem Balanceakt.

Im Rahmen des neuen Leistungssportkonzepts setzt der DTB verstärkt auf die Einbindung ehemaliger Profis, zuletzt konnten Andrea Petkovic, Angelique Kerber und Torben Beltz verpflichtet werden. Wie stehst du dazu?

Ich halte das für den richtigen Weg. Von der Erfahrung der ehemaligen Profis können die Nachwuchstalente in hohem Maße profitieren. Zudem ist es wichtig, bei den größten Talenten auf eine individuelle Förderung zu setzen. Es ist klasse und richtig, dass der DTB sich entschlossen hat, die Individualförderung von Justin mitzufinanzieren, um ihn noch gezielter zu unterstützen. Dieser Schritt zeigt, dass der Verband bereit ist, neue Wege zu gehen. Justins Projekt ist ein guter Testlauf, und vielleicht sind wir ja sogar ein Vorreiter für ähnliche Initiativen. Vielleicht ist genau das der Ansatz, den wir benötigen, um den Übergang zum Profi noch erfolgreicher zu meistern.

 

Wie ist der Umfang eurer Arbeit, begleitest du ihn auch zu Turnieren?

In der Off-Season haben wir viel Zeit miteinander verbracht. Ich war auch bei seinem ersten Turnier in Nußloch und beim Challenger in Koblenz dabei. Die längeren Reisen wird er weiterhin mit seinem Papa machen. Es ist wichtig, dass wir gemeinsam trainieren, aber ich muss ihn auch bei Turnieren sehen. Nur dort erkennt man, ob das Training Erfolg zeigt. Wie geht er mit Stress um? Wo braucht er noch Unterstützung? Deshalb ist es wichtig, eine Mischung aus beidem zu haben – Training und Wettkämpfe.

Justin hat ein sehr enges Verhältnis zu seinem Vater, mit dem du dir die Trainerrolle teilst. Wie klappt die Zusammenarbeit mit Papa Horst Engel?

Die Zusammenarbeit zwischen Horst und mir läuft sehr gut. Wir haben schnell einen guten Draht zueinander gefunden. Er ist mir gegenüber sehr positiv eingestellt, und er glaubt immer an das Projekt. Wenn ich im Training mal das Gefühl habe, dass ich an meine Grenzen stoße, ist Horst derjenige, der dann hilft, die Dinge wieder voranzutreiben. Er unterstützt mich und sorgt dafür, dass wir die neuen Ansätze weiterhin umsetzen und weiterentwickeln.

Was sind für dich die wichtigsten Eigenschaften, die ein erfolgreicher Tennisprofi entwickeln muss?

Was ich Justin versuche begreiflich zu machen, ist, dass man als Spieler versuchen muss, sich jeden Tag ein bisschen weiterzuentwickeln. Dass es nicht nur um Ergebnisse geht, sondern darum, an Sachen zu arbeiten und sich aus seiner Komfortzone herauszubewegen. Ich verwalte nicht nur das, was ich kann, ich versuche neue Dinge in meinem Spiel zu erlernen, natürlich auch technische. Diese Entwicklung ist der entscheidende Faktor, und wer hart arbeitet und sich stetig verbessert, wird langfristig dafür belohnt.

Welche Trainingsmethoden oder -ansätze aus deiner eigenen Karriere wendest du an, um Justin weiterzubringen?

Er ist ein ganz anderer Spielertyp als ich. Das bedeutet, dass ich meine Herangehensweise anpassen muss. Ich kann ihn nicht einfach zu einem Topspin- oder Winkelspieler machen. Als Trainer muss man die Stärken und Eigenschaften des Spielers berücksichtigen. Justin bringt viel Power mit, und es geht vor allem darum, diese Power noch stabiler zu nutzen und die richtige Schlagauswahl zu treffen. Jeder kann schnell spielen, aber die Frage ist, ob ich auch in der Lage bin, schnell zu spielen, wenn ich aus dem Lauf aus der Ecke komme. In solchen Situationen wäre es oft cleverer, den Ball etwas zu drosseln, um sich in eine bessere Position zu bringen.

Wo liegen seine besonderen Stärken? Woran muss er noch arbeiten?

Justin ist mental schon sehr weit für sein Alter. Er hat einen klaren Plan, ist extrem fokussiert und bringt jede Menge Ehrgeiz mit. Er hat viel Power, ist körperlich bestens trainiert und arbeitet auch abseits des Platzes sehr fleißig. Darin gilt es ihn weiterhin zu bestärken. Er muss jedoch noch an seiner „Shot Selection“ (Schlagauswahl) arbeiten. Es geht darum, bestimmte Spielzüge zu entwickeln, bei denen er sich richtig wohlfühlt, und nicht nur jeden Schlag einzeln zu spielen. Dadurch kann er seine Stärken noch besser zur Geltung bringen und sich in die ideale Position für den nächsten Schlag bringen.

Wie siehst du seine Entwicklung in den kommenden Jahren?

Niemand kann in die Zukunft schauen. Ich hoffe natürlich, dass ich einen positiven Einfluss auf ihn habe. Ich will ihn außerhalb und auf dem Platz nochmal ein Stück professioneller machen. Das bedeutet, jeden Tag mit einem frisch bespannten Schläger zu trainieren, gut vorbereitet zu sein, die richtigen Getränke dabei zu haben, sich immer gut aufzuwärmen und fokussiert zu bleiben. Es geht um Disziplin, um die konsequente Einhaltung des Trainingsplans. Also einfach das gesamte Paket zum Erwachsenen-Profi.

Seit letzten Jahr bist du TV-Experte und kommentierst, zuletzt das Final-Match zwischen Alexander Zverev und Jannik Sinner bei den Australian Open. Wie hast du die Begegnung erlebt?

Es ist beeindruckend, wie konstant Jannik Sinner sein Niveau runterspielt. Im Spiel gegen Sascha war er vor allem von der Grundlinie aktiver und stabiler. Man hatte das Gefühl, dass Sascha gegen eine Wand spielt. Sinner trifft keine schlechten Entscheidungen und agiert fokussiert und konzentriert. Das ist natürlich frustrierend und das hat man Sascha im zweiten Satz angesehen. Dann kam noch der entscheidende Moment im Tie-Break, als das Glück nicht auf seiner Seite war, und das hat ihn meiner Meinung nach so ein bisschen gebrochen.

Was ist die größte Herausforderung für dich beim Kommentieren?

Die größte Schwierigkeit beim Kommentieren ist, wenn das Match wenig zu bieten hat. Als Experte möchte ich dem Zuschauer und auch den Fachkollegen mehr Hintergrundinformationen geben und bestimmte Spielsituationen erklären. Aber wenn das Match zum Beispiel einseitig ist oder viele Fehler gemacht werden, fühle ich mich manchmal ein bisschen hilflos. Ich möchte ja nicht wie ein Lehrer wirken, der dem Zuschauer ständig etwas beibringt, sondern eher die interessanten Aspekte des Spiels herausstellen. Es macht einfach mehr Spaß, wenn das Match spannend ist und ich über verschiedene Spielsituationen sprechen kann. Wenn es aber nicht viel zu erklären gibt, wird es schwieriger.

Welche Informationen stehen für dich im Vordergrund und was macht für dich einen guten Experten Kommentar aus?

Ein guter Kommentar sollte Dinge ansprechen, die nicht immer sofort offensichtlich sind. Jeder kann sagen, dass ein Schlag gut war, aber was hat der Spieler vorher gemacht? War der Schlag davor entscheidend, um den Punkt zu gewinnen? Solche Informationen finde ich spannend, besonders aus der Sicht eines Trainers. Es geht darum, welche Spielsituation man schaffen möchte, um sich in die beste Position zu bringen. 

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