Die Weiterentwicklung des organisierten Tennissports bringt wichtige Neuerungen mit sich. Im Gespräch mit Jannis Behnke spricht BTV-Vizepräsident und Präsidiumsmitglied für Wettkampfsport Bernd Greiner über die geplante Anpassung der Wettspielordnung. Im Mittelpunkt steht dabei auch die angestrebte Einführung eines verbandsübergreifenden Spielbetriebs in Zusammenarbeit mit dem Württembergischen Tennis-Bund.

Wir haben vor ca. 1,5 Jahren erstmals in Richtung unserer Vereine kommuniziert, dass wir einen verbandsübergreifenden Spielbetrieb mit dem Württembergischen Tennis Bund anstreben. Was bedeutet das Projekt für Sie persönlich?

Bernd Greiner: Für mich ist das Projekt des verbandsübergreifenden Spielbetriebs mit dem Württembergischen Tennis-Bund der nächste große Entwicklungsschritt. Ich beschäftige mich jetzt seit rund 25 Jahren mit dem Thema Mannschaften und Spielbetrieb, in dieser Zeit hat sich enorm viel verändert. Der Spielbetrieb hat sich immer weiterentwickelt und dass wir das Projekt jetzt gemeinsam mit einem anderen Verband angehen, ist eine große Aufgabe, die viele Ressourcen bindet, aber auch viel Spaß macht.

Nehmen Sie uns mit in die Anfangszeit: Wie ist die Idee des verbandsübergreifenden Spielbetriebs entstanden und worauf zielt sie konkret ab?

Das ist eine lange Geschichte. Wenn man in die Anfangszeiten des Spielbetriebs zurückschaut, dann war es so, dass zumindest die Bezirke sehr autark gearbeitet haben, mit eigenen Regeln und Spielplänen. So, wie die technische Entwicklung in jedem Bereich vorangeschritten ist, ist es auch im Spielbetrieb passiert. Die Plattformen, auf denen der Mannschaftsspielbetrieb abgewickelt wird, haben sich so langsam homogenisiert. Deutschlandweit arbeiten wir inzwischen nur noch mit einem System. Dadurch ist auch der Austausch zwischen den Landesverbänden intensiver geworden. Man hat sich hinterfragt und versucht, auch auf DTB-Ebene, Regeln und Formate mehr aufeinander abzustimmen.

Besonders in Baden-Württemberg, wo wir zwei große Verbände in einem Bundesland haben, war es an der Zeit, Dinge stärker zu harmonisieren. Beide Verbände arbeiten technisch mit dem gleichen Programm. Das heißt, ein Mitarbeiter von uns, der mit der Materie befasst ist, könnte von heute auf morgen beim WTB anfangen und umgekehrt. Auch in völlig anderen Aufgabenbereichen, Trainerausbildung und Medien zum Beispiel, wird zwischen den Verbänden immer enger zusammengearbeitet. Das hat uns von Seiten der beiden Präsidien ermutigt, die Annäherung voranzutreiben. Dazu kommt, dass es immer wieder Vereine gibt, die den Verband wechseln, weil sie geografisch näher an Vereinen des jeweils anderen Verbands liegen. Letztendlich kommt es bei solchen Entwicklungen aber auch immer auf persönliche Beziehungen an. Mein Amtskollege Klaus Berner vom WTB und ich, haben intensiv gesprochen und festgestellt, dass nichts dagegen spricht, die Spielsysteme zu vereinheitlichen.

Inzwischen ist das Projekt einige Schritte weiter, es wurde vorgestellt und breit diskutiert. Unter anderem auch bei unseren Vereinsdialogen. Wie würden Sie die aktuelle Stimmung in den badischen Tennisvereinen beschreiben? Wie offen sind die Clubs für einen verbandsübergreifenden Spielbetrieb mit dem WTB?

Was die Stimmung in den badischen Vereinen angeht, würde ich sagen, die Mehrheit sieht das Projekt entspannt. Rund 50 bis 60 Prozent der Clubs nehmen die Veränderung kaum wahr, da sie wenig betroffen sind. Spannender wird es in den Grenzregionen – hier sind rund zwei Drittel der Vereine offen für neue Herausforderungen. Natürlich gibt es auch kritische Stimmen, da Veränderungen nicht immer für alle gleich vorteilhaft sind. Die Mehrheit zeigt sich jedoch gespannt und neugierig.

Im Februar gab es ein Treffen mit dem WTB zur möglichen Vereinheitlichung der Wettspielordnung. Wie unterschiedlich sind die bisherigen Regelwerke und wie groß ist die Herausforderung, sie anzugleichen?

Als wir angefangen haben, die Wettspielordnung eins zu eins zu vergleichen, sind wir doch auf eine erstaunlich große Anzahl von Abweichungen gestoßen. Allerdings unterscheiden sich viele Regelungen nur minimal voneinander, darunter auch viele Dinge, die im Alltag kaum auffallen. Insbesondere über die Punkte mit größeren Differenzen wurde bei dem angesprochenen Meeting konstruktiv und ergebnisoffen diskutiert und dementsprechende Anpassungen vorbereitet.

Können Sie da konkrete Beispiele geben? In welchen Bereichen gibt es diese Unterschiede, die größer sind?

Ein Punkt ist die Wertung eines Unentschiedens. Es gibt Landesverbände, u.a. auch der WTB, da wird immer ein Siegerteam ermittelt: über die Anzahl der gewonnenen Sätze oder sogar über die Anzahl der gewonnenen Spiele. In anderen Landesverbänden, zu denen wir gehören, ist ein 3:3 ein Unentschieden. Das ist ein Punkt, den man angleichen muss.

Auch ist es im Württembergischen erlaubt, Mädchen in reinen Jungenmannschaften einzusetzen. Es gibt dort viele Teams oder Vereine in ländlichen Regionen, die nicht genügend Mädchen haben, um Mädchenmannschaften zu bilden. Deshalb hat man diese Möglichkeit geschaffen. Das haben wir in Baden so nicht. Das ist ebenfalls ein Punkt, der auf den Vereinsdialogen zu durchaus kontroversen Diskussionen mit einigen spannenden Gegenargumenten geführt hat. Das könnte also interessant werden. 

Mittlerweile haben wir hier auch unsere Vereine aktiv einbezogen und sie in einer Umfrage um deren Einschätzung gebeten. Die Rücklaufquote war mehr als zufriedenstellend, fast die Hälfte aller badischen Clubs hat sich beteiligt – wie sind die Ergebnisse ausgefallen? Gab es bestimmte Themen, die besonders häufig angesprochen wurden?

Wichtig an dieser Umfrage war, dass sich die Vereine Gedanken über das Thema machen und wissen, was ansteht. Das war sehr erfolgreich. Spannend ist, wie das letztendlich bei der Mitgliederversammlung aussehen wird, wenn dann konkret abgestimmt wird. Während beispielsweise das Thema des Unentschiedens auch bei den Vereinsdialogen kontrovers diskutiert wurde, zeigte es sich bei der Umfrage als völlig untergeordnetes Thema. Es gab ein paar Meinungsschwerpunkte, die allerdings nicht dazu geführt haben, dass das Gesamtprojekt ablehnend beurteilt wurde.

Wie genau geht der Verband nun mit den Umfrageergebnissen um? Welche Schlüsse werden daraus gezogen?

Für uns ist es wichtig, zu wissen, ob es Themen gibt, die von den Vereinen so negativ bewertet werden, dass es sich nicht lohnt, diese weiter zu verfolgen. Das war nicht der Fall. Es gab kontroverse Rückmeldungen, aber es war kein einziges Thema dabei, das zu völliger Ablehnung geführt hat. Darauf aufbauend werden wir in den nächsten Wochen die Anträge für die Mitgliederversammlung vorbereiten, um die Wettspielordnung anzugleichen. Mit jenen Punkten, die ich vorhin angesprochen habe. Sie ergeben sich aus dem gemeinsamen Treffen mit den Kolleg:innen vom WTB zu Beginn des Jahres, bei dem Kompromissvorschläge zu jeder einzelnen Regelung in der Wettspielordnung erarbeitet wurden. Diese Vorschläge sehen wir alle, völlig unabhängig von einem verbandsübergreifenden Spielbetrieb, als Weiterentwicklung unserer Wettspielordnung. Wir werden die Anträge jetzt vorbereiten, zur Mitgliederversammlung im Oktober einreichen und dann müssen unsere Vereine darüber entscheiden.

Im Rahmen der im Oktober anstehenden Mitgliederversammlung soll zunächst unabhängig vom verbandsübergreifenden Spielbetrieb über mögliche Anpassungen der BTV-Wettspielordnung abgestimmt werden. Warum hat man sich für ein solches Vorgehen entschieden und lässt nicht einfach darüber abstimmen, ob man einen verbandsübergreifenden Wettspielbetrieb einführt oder nicht?

Das ist im Endeffekt eine juristische Frage. Wir haben keinen Passus in der Satzung oder in der Wettspielordnung, der sagt, wir dürfen oder müssen nur mit badischen Vereinen spielen. Wenn unsere badischen Meistermannschaften in die nächsthöhere Liga aufstiegen, spielen sie auch nach einer anderen Wettspielordnung mit Vereinen aus anderen Landesverbänden. Es gibt also keinen Paragrafen, wo man einen Antrag zu Änderung diesbezüglich stellen könnte. Es ist, um ein anderes Beispiel zu nennen, als würden zehn Vereine aus Württemberg auf einmal die Aufnahme beim BTV beantragen. Dann kann ein badischer Verein das Zusammenspiel auch nicht verweigern. Man könnte also lediglich ein informelles Meinungsbild einholen. Das haben wir bei den Vereinsdialogen und anderen Veranstaltungen zur Genüge getan. Wir stellen diese Anträge zur Veränderung der Wettspielordnung und wenn diese angenommen werden, haben wir im Endeffekt eine einheitliche Wettspielordnung mit den Kollegen aus Württemberg. Dann spricht auch nichts dagegen, mit ihnen gemeinsam zu spielen. 

Neben den einheitlichen Regelungen ist die Einteilung der neuen Regionen für viele Vereine das zentrale Thema. Zu Beginn des Projekts wurden erste Zuordnungen vorgenommen, mittlerweile konnten die Clubs begründete Änderungswünsche einreichen. Wie final ist die Einteilung heute? Und wie hoch ist die Zustimmung in den Vereinen?

Hier ist das Interesse der Vereine viel größer als bei dem Thema Wettspielordnung. Bei letzterem ist, glaube ich, allen klar, dass nach einheitlichen Regeln gespielt werden muss und es ist weniger wichtig, wie genau diese aussehen. Aber wo genau gespielt wird, das ist natürlich sehr interessant. Allerdings ist es auch hier so, dass es für eine Großzahl der Vereine überhaupt keine Rolle spielen wird. Für die Vereine in der Grenzregion ändert sich dagegen umso mehr und das Echo ist geteilt. Es gibt Vereine, die sich darüber freuen, gegen neue Mannschaften zu spielen und Vereine, die es bedauern, nicht mehr gegen die gleichen Clubs anzutreten. Es war das Ziel, die Entfernungen anzugleichen und zu harmonisieren. Die Gruppeneinteilungen, die sich daraus ergeben, werden in der Umsetzung die größte Herausforderung für uns sein.

Die ersten Entwürfe der Regionseinteilung haben wir den Vereinen präsentiert. Diese hatten die Möglichkeit sich dazu zu äußern und Änderungswünsche abzugeben. Bis auf wenige Ausnahmen konnten wir allen Änderungswünschen entsprechen. Nichtsdestotrotz ist die Einteilung noch nicht hundertprozentig final. Wir müssen nun versuchen, Gruppeneinteilungen vorzunehmen. Das bedeutet, eine vernünftige Anzahl von Mannschaften pro Altersklasse zusammenzufassen.

Das Projekt ist bereits weit vorangeschritten. Wie zufriedenstellend ist der bisherige Verlauf? Gibt es Entscheidungen, die Sie heute anders würden?

Ich glaube nicht. Dafür bin ich viel zu lange dabei und habe zu viel Erfahrung, um zu wissen, dass so etwas ein sehr langwieriges Geschäft ist. Es gibt so viele Dinge zu beachten, die man nicht kalkulieren kann. In der Diskussion mit den Vereinen kam zum Beispiel die Frage auf, gegen wen genau in Zukunft gespielt werden würde - bevor man sich dort eine Meinung dazu bildet. Das ist für mich so, als würden Eltern überlegen, mit ihren Kindern die Schule zu wechseln und dann die Schulleitung nach dem Stundenplan für das nächste Jahr fragen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Genauso läuft die Diskussion aktuell. Viele fragen, ob es gewährleistet ist, dass bestimmte Altersklassen weiterhin am selben Tag um dieselbe Uhrzeit spielen. Das sind Dinge, die man im Moment noch nicht beantworten kann und die sich erst bei der Detailplanung ergeben werden. Insofern kann man gar nicht anders an die Sache herangehen. Das ist ein sich entwickelnder Prozess. Uns war von vornherein klar, dass sich das über einige Jahre erstrecken wird, bis sich das alles eingespielt hat.

Blicken wir abschließend in die Zukunft: Wie sieht der Mannschaftsspielbetrieb denn im Jahr 2030 aus?

Ich gehe fest davon aus, dass wir 2030 den verbandsübergreifenden Spielbetrieb haben werden. Völlig unabhängig, ab wann, er wird kommen. Das ist nur eine Frage der Zeit. Ich denke 2030 werden sich unsere Mitarbeiter:innen an das veränderte Arbeiten gewöhnt und die Regionen und Vereine sich eingespielt haben.

Aber es wird eher interessant sein, welche Neuerungen insgesamt noch kommen. Vor gut 20 Jahren hatten wir Diskussionen über die Einführung des Match-Tie-Break. Da spricht heute niemand mehr darüber. Inzwischen eröffnen sich andere Fragen, wie die No-Ad-Regel im Doppel.  Ein weiteres Thema wird die Mannschaftsstärke sein. Hauptmannschaftsstärke ist noch die Sechser-Mannschaft. Die Württemberger haben einen parallelen Spielbetrieb aus Sechser- und Vierer-Mannschaften. Grundsätzlich stellt sich die Frage, ob Sechser-Mannschaften überhaupt noch eine Zukunft haben. Landesverbandsübergreifend sind sie stark auf dem Rückmarsch. Es ist abzuwarten, ob wir 2030 vielleicht nur noch mit Vierer-Mannschaften spielen.

Artikel teilen