Das Jugendturnier „Les Petits As“ im französischen Tarbes gilt als Meilenstein auf dem Weg zum Top-Profi. Wer sich hier durchsetzt, steht in einer Reihe mit ehemaligen Stars wie Michael Chang, Rafael Nadal, Anna Kurnikowa oder Kim Clijsters. Seit 2022 ziert auch der Name von Julia Stusek die Siegerliste. Damit ist sie erst die dritte deutsche Spielerin nach Heike Rusch und Anke Huber, die das U14-Turnier, das als das wichtigste Turnier der Altersklasse gilt, gewinnen konnte.
Ihren Sieg beschreibt die Porsche Talent Team Spielerin heute noch als den größten Triumph ihrer noch jungen Karriere: „Alle meine Erfolge waren Meilensteine. Aber der Sieg in Tarbes hat mich persönlich am meisten gefreut. Dieses Turnier haben schon so viele Spieler gewonnen, die hinterher eine große Karriere hatten. Dass mein Name jetzt auch auf dieser Siegerliste steht, ist großartig“, so Stusek.
Großartig war zuletzt auch ihr Auftritt bei den Australian Open. Bei ihrer ersten Teilnahme an einem Junior Grand Slam-Turnier schaffte sie es als einzige und jüngste deutsche Teilnehmerin im Hauptfeld mit ihrer tschechischen Doppel-Partnerin Julie Pastikova bis ins Endspiel. Und das, obwohl sie zuvor an einer hartnäckigen Muskelverletzung am hinteren Oberschenkel laborierte. „Es war mein erstes Grand Slam-Turnier und dann direkt im Doppel-Finale zu stehen war ein unbeschreibliches Gefühl“, schwärmt Stusek. Im Einzel hingegen war gegen die Britin Mika Stojsavljevic schon nach der ersten Runde Schluss. „Es wäre mehr drin gewesen“, bilanziert sie nüchtern. „Ich habe nicht mein bestes Tennis gespielt. Aber ich komme aus einer Verletzungsphase und bin dankbar über jedes Match, auch wenn ich verloren habe.“
Aber nicht nur auf dem Platz konnte die Gymnasiastin wertvolle Erfahrungen sammeln. „Ich habe mit den Profis im gleichen Gym trainiert und im gleichen Restaurant gegessen. So etwas gibt es bei keinem anderen Jugendturnier. Interessant war auch zu sehen, wie Aryna Sabalenka, Coco Gauff und Carlos Alcaraz trainieren und sich für die Matches vorbereiten. Daraus konnte ich viel lernen.“
Die Erfolge von Julia Stusek sind nicht vom Himmel gefallen. Sie arbeitet jeden Tag hart an sich und ist extrem ehrgeizig. Seit sie sechs ist, trainiert sie mit Melanie Molitor, der Mutter und früheren Trainerin von Martina Hingis. Zu Beginn der Zusammenarbeit fuhr sie einmal die Woche in die Schweiz. Inzwischen lebt Julia Stusek seit zwei Jahren selbst dort und holt sich bei der als streng geltenden ehemaligen schweizerischen Fed-Cup-Chefin den Feinschliff. „Sie ist zwar streng, aber sie will am Ende nur das Beste für mich. Es ist ein Nehmen und Geben“, beschreibt das Tennistalent, das zudem auch am Bundesstützpunkt in Stuttgart mit ihren Kolleginnen aus dem Porsche Talent Team trainiert, das Verhältnis.
Auf dem Weg zum Tennisprofi muss auch das private Umfeld stimmen. Das könnte bei Julia nicht besser sein. Ihre Mutter ist die ehemalige tschechische Tennisspielerin Petra Holubovaà, ihr Vater ist Tennistrainer. „Wenn Training ausfällt, springen meine Eltern ein.“ Die Beziehung zu ihren Eltern beschreibt sie als sehr gut, auf dem Platz sei es aber nicht immer leicht: „Ich muss lernen meine Eltern auf dem Platz als Trainer und nicht als Eltern zu sehen. Es gelingt mir nicht immer. Aber immer wieder“, schmunzelt sie.
Auch ihr Bruder ist Tennistrainer. Der 20-Jährige, der gerade dabei ist den B-Trainerschein zu machen, ist beim Heidelberger TC tätig. Dort ist auch Julia Stusek aktiv. Im vergangenen Jahr stiegen die Damen von der Regionalliga in die 2. Bundesliga auf – auch dank Stusek. Ihre Einzel- und Doppel-Bilanz mit jeweils 6:0 ist tadellos. „Die Spiele bei den Damen sind eine gute Vorbereitung für mich. Es zieht mich hoch, mit den Damen zu trainieren. Sie sind konstanter, bei den Jugendlichen kommen noch vermehrt Fehler vor“. In dieser Saison wird sie erstmals in der 2. Damen Tennis-Bundesliga angreifen.
Stusek besucht ein Privatgymnasium in Mannheim. Dort wird sie online beschult, was ihr größere Freiheiten bei der Trainings- und Turnierplanung ermöglicht und auch Hobbys wie Reiten möglich macht. Zwei Mal in der Woche muss die Zehntklässlerin allerdings persönlich am Unterricht teilnehmen: „Über die Schule unter Menschen zu kommen, tut mir gut. Beim Tennis ist man viel für sich allein.“ Bildung hat einen hohen Stellenwert für die 15-Jährige. Schließlich habe man keine Garantie, dass es als Tennisprofi klappt. „Im Sommer mache ich die mittlere Reife. Alles weitere hängt davon ab, wie es mit dem Tennis weitergeht“, so Stusek, deren Lieblingsfächer Mathe und Sporttheorie sind.
In diesem Jahr möchte das Tennistalent wieder vermehrt auf der ITF-Damentour angreifen und an allen Junior Grand Slams teilnehmen. „Langfristig möchte ich jeden Tag besser werden und im Match zeigen, was ich kann“, so die zierliche Athletin, deren Stärke neben ihrem variablen Spiel auch ihr Kämpferherz ist. „Generell wäre es schön, wenn ich in ein paar Jahren die Grand Slams bei den Profis spielen könnte mit guten Chancen auf den Sieg“. Das ist Julia Stusek auf jeden Fall zuzutrauen.